DataSV aktuell (Editorial)

Nachruf Joachim Jaensch

Die Genauigkeit ist die Großmutter der Wahrheit


(1.1.2018) Es gibt bei den Bau- und Immobiliensachverständigen immer wieder besondere Persönlichkeiten, die ohne immer in der ersten Reihe im Rampenlicht zu stehen, sehr viel für die Entwicklung des Sachverständigenwesens allgemein und für die Förderung einzelner Kollegen bewirkt haben. Eine solche Persönlichkeit war Dipl.-Ing. (FH) Joachim Jaensch. In Görlitz geboren, liegen seine beruflichen Fundamente in der Bauwirtschaft, die ihm später auch ermöglicht haben, von seinem „Landsitz“ in Lauda-Königshofen aus lange Jahre als hoch angesehener öffentlich bestellter und vereidigter Bau- und Grundstückssachverständiger für Gerichte und Private zu wirken.

 

Eine ganz wichtige weitere Station im beruflichen Werdegang von Joachim Jaensch stellt dann aber sein Engagement in der Aus- und Weiterbildung von Sachverständigen dar, zunächst bei den „Aurnhammer-Lehrgängen“ im Team mit Dr.-Ing. H.E. Aurnhammer und Prof. Dr. jur. Carl Soergel, später in der 1986 gegründeten Arbeitsgemeinschaft, deren erfolgreicher und umsichtiger Geschäftsführer er zudem viele Jahre war.

 

Dank seiner immer kollegialen Freundlichkeit gegenüber den Lehrgangsteilnehmern und seiner Bestimmtheit und Gewissenhaftigkeit in der Sache haben Generationen des „Sachverständigen-Nachwuchses“ auch von ihm ganz wesentlich die nötigen Grundlagen für einen späteren beruflichen Erfolg vermittelt bekommen. Joachim Jaensch war dabei einer der ersten, der schon gleich mit der Wiedervereinigung erkannt hat, dass für den Aufbau einer funktionsfähigen Rechtspflege in den damals sogenannten neuen Bundesländern Ostdeutschlands auch genügend qualifizierte und mit den örtlichen und regionalen Gegebenheiten vertraute, d.h. dort auch ansässige Bau- und Immobiliensachverständige benötigt werden. Seine eigene Herkunft hat ihm einen vertrauensvollen Zugang zu den ostdeutschen Kollegen und deren Heranführung  an das durchaus sehr anspruchsvolle „Lehrsystem Aurnhammer“ leicht gemacht. Der von ihm vertretene Lehrstoff und die aus reichhaltiger Sachverständigenerfahrung stammenden Praxisbeispiele waren dabei immer wieder mit sinnreichen Anekdoten und Merksprüchen „garniert“, die den Teilnehmern im Gedächtnis geblieben sind. So hat z.B. sein Hinweis, dass die Genauigkeit die Großmutter der Wahrheit sei, nicht nur mich in den letzten 40 Jahren Sachverständigentätigkeit immer wieder daran erinnert, dass Faktenerhebungen als Gutachtengrundlage gar nicht gründlich genug vorgenommen werden können.

 

Neben den vielfältigen Aufgaben mit Bezug auf die Sachverständigen- und Lehrgangstätigkeit (u.a. auch einige Zeit bei der Richterakademie in Trier), die über viele Jahre zu erledigen waren, gab es für Joachim Jaensch aber auch andere Interessen. Ganz bemerkenswert waren seine Kenntnisse über die Mundarten im deutschsprachigen Raum. Auch die klassische Musik hat ihn sehr erfreut und interessiert. Und schließlich – als „Privatier“ und Familienmensch – hat er sich auch noch seinem besonderen „Steckenpferd“ Deutsche Geschichte durch ein spätes Studium an der Universität Würzburg intensiv widmen können.

 

Joachim Jaensch ist am 6. November 2017 im Kreis seiner Familie verstorben. Alle, die ihn näher kannten, seine Familie, seine Freunde und die vielen ihm verbundenen Sachverständigenkollegen werden sich nicht nur an die unterhaltsamen und lehrreichen Begegnungen mit ihm gerne erinnern, sondern ihm auch ein ehrendes Andenken bewahren.

 

Peter-Andreas Kamphausen


Dr.-Ing. H.E. Aurnhammer zum 100. Geburtstag:
Problemlösung und Entscheidungshilfe

(6.11.2010)  Am 22. November 2010 wäre Dr.-Ing. Hans Eberhard Aurnhammer 100 Jahre alt geworden. Dr. Aurnhammer gehörte Zeit seines Lebens bis zu seinem Tod am 16. November 2003 zu den markantesten und über Jahrzehnte wegweisenden Persönlichkeiten des deutschen Sachverständigenwesens.



Nach langjähriger, verantwortlicher Tätigkeit in der Bauwirtschaft ist Dr. Aurnhammer 1956 als Sachverständiger öffentlich bestellt und vereidigt worden. Er widmete sich dieser neuen Aufgabe mit Leib und Seele. Schon bald erkannte er, dass mit dem Bausachverständigenwesen vieles im Argen lag. Kaum jemand hatte bis dahin erfasst, dass ein solch spezielles und breit gefächertes Aufgabengebiet auch besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten bedarf. Aurnhammer ging die sich daraus ergebende Aufgabe der praxisbezogenen Wissensvermittlung und des kollegialen Erfahrungsaustausches, neben seiner eigenen Sachverständigentätigkeit, rasch und systematisch an. So schuf er ab 1963 mit dem „Wiesbadener Erfahrungsaustausch der Sachverständigen“ (WEA) ein bis heute einmaliges und den Maßstab setzendes Aus- und Weiterbildungssystem für Bau- und Immobiliensachverständige. Es gelang ihm dazu ein Team von Fachleuten zu gewinnen. Ein Mann der ersten Stunde ist Prof. Dr. Soergel, der den Sachverständigen in unerreichter Darstellung und Prägnanz die erforderlichen Rechtskenntnisse vermittelte. Weitere Trainer wie Joachim Jaensch, Prof. Dr. Siegfried Maser, Peter-Andreas Kamphausen, Dietmar Warmbrunn und andere kamen dazu.

In den folgenden Jahrzehnten haben Generationen von Sachverständigen in den Aurnhammer-Lehrgängen das erforderliche Rüstzeug für ihren beruflichen Erfolg erworben. Die dafür nötigen Werkzeuge sind Denk- und Arbeitsmethoden, Hilfen für Informationsgewinnung und Problemlösungen, für das Verhalten bei Gericht, die richtige Anwendung der Sprache, das Schieds-. und Versicherungswesen sowie das Sachverständigen-, Verfahrens-, Bau-, Werkvertrags-, Immobilien- und Grundstücksrecht. Maßgebliche Fundamente, die heute für qualifizierte Entscheidungshilfen für die Auftraggeber selbstverständlich sind, hat Aurnhammer entwickelt oder aufbereitet. Beispielhaft hierfür seien nur die Zielbaummethode und die ersten Grundlagen für ein Quotierungsverfahren genannt.

Bereits im Jahre 1986 sorgte Aurnhammer mit Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Dr.-Ing. H.E. Aurnhammer" dafür, dass sein Werk weitergeführt und laufend den aktuellen Erfordernissen angepasst wird. Auch wenn sich in den letzten 10 Jahren die Rahmenbedingungen für die Sachverständigenausbildung – nicht zuletzt durch mehrere Wirtschaftskrisen – grundlegend gewandelt und sich der Ausbildungsstand der Nachwuchskräfte leider auch verschlechtert haben, betreut die ARGE Dr. Aurnhammer bis heute die ihr verbundenen WEA-Sachverständigen. Erst kürzlich hat der WEA-Netzwerk-Fonds einen Kollegen in einem Vergütungsrechtsstreit vor Gericht finanziell unterstützt.

Dr. Aurnhammer war aber nicht nur Sachverständiger und Ausbilder. Mit der gleichen Leidenschaft hat er zusammen mit seiner hochangesehenen Frau Marion, die in diesen Tagen im Kreis der Familie ihr 96. Lebensjahr vollendet, eine international beachtete Sammlung ostafrikanischer Makondeschnitzkunst aufgebaut und in mehreren Ausstellungen über lange Jahre der Öffentlichkeit präsentiert.

Viele, die Dr. Aurnhammer zu Lebzeiten kennen lernen durften, haben ihn als einen der ganz wenigen universell interessierten und gebildeten Menschen – wenngleich für einen Baumenschen nicht unüblich: mit „Ecken und Kanten“ – erlebt. Vergleichbare Persönlichkeiten waren schon immer selten und sind es im heutigen Sachverständigenwesen umso mehr.


HOAI 2009 – Sind Sachverständigenhonorare jetzt „dereguliert“?

(1.11.2009) Die HOAI 2009 ist kürzlich in Kraft getreten. Sie hat für die Honorierung außergerichtlicher Sachverständiger gravierende Änderungen gebracht. Für mehrere Sachgebiete ist das bisherige Honorierungssystem geradezu „auf den Kopf gestellt“ worden. Dessen ungeachtet hat das im Sachverständigenwesen offenbar kaum jemanden interessiert. Symptomatisch und resignierend konstatiert z.B. Kleiber (GuG aktuell 4/2009): „Die Sachverständigen haben auch diesmal wieder keine Lobby gehabt, sie haben (allzu) viele Verbände mit Präsidenten, Vorsitzenden, Beiräten, Schatzmeistern und honoren Persönlichkeiten; wo aber ist „der“ Verband, der mit gewichtiger Stimme sich dieser Probleme annimmt?“ Angesichts dieser, mit Besorgnis hinsichtlich der Qualität des Sachverständigenwesens getätigter Aussagen ist man geneigt nachzufragen, ob der Missstand daran liegen könnte, dass es einen Unterschied macht, über Themen in mitgliederfinanzierten Sitzungen und Gremien zu „schwadronieren“, anstatt an ihnen hart und sachkundig zu arbeiten.

DataSV hat die Sachverständigen im Vorfeld zu den HOAI-Änderungen befragt. Mit Inkrafttreten der HOAI 2009 haben wir unsere Umfrage abgeschlossen mit folgendem Ergebnis: 40 % der Umfrageteilnehmer wollten das bisherige Vergütungssystem der HOAI beibehalten sehen, 30 % haben sich für freie Honorare mit Orientierungswerten innerhalb der HOAI ausgesprochen und die restlichen 30 % haben völlig freie Honorare befürwortet.

Die HOAI 2009 bedient alle unsere Umfrageteilnehmer. Die Vorschriften über Gutachten (§ 33 HOAI a.F.) und für Wertermittlungen (§ 34 HOAI) wurden ersatzlos gestrichen. Für mehrere Sachgebiete (z.B. Thermische Bauphysik, Schallschutz, Bodengutachten, Vermessung) gibt es jetzt die Möglichkeit freier Honorarvereinbarungen mit orientierenden Tafelwerten in einer HOAI-Anlage. Zu diesen unter dem Begriff „Beratungsleistungen“ zusammengefassten Tätigkeiten vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass die Orientierungswerte angeblich die „übliche Vergütung vorgeben“ würden. Das wird die Rechtsprechung kaum mitmachen. „Übliche Vergütungen“ (auch) für Sachverständigenleistungen bilden sich am Markt und nicht dadurch, dass sie in unverbindlichen HOAI-Anlagen aufgeführt werden. Der BVSK hat es für die Honorare von Kfz-Sachverständigen vorgemacht, wie man Datengrundlagen für gerichtsfeste „übliche Vergütungen“ schaffen kann.

Geradezu mit Spannung (und möglicherweise auch staunend) wird man jetzt die Entwicklung der privatgutachterlichen Honorare für Immobilienbewertungen erwarten dürfen. Das „warme HOAI-Bettchen“ ist passé. Die Gutachten unterliegen jetzt voll dem Leistungs- und Preiswettbewerb (man lese dazu z.B. im Internet die einschlägigen Foren zum Thema: Wie teuer darf ein Wertgutachten sein?“). Betrachtet man die Erfahrungen aus anderen Bereichen, dann wird sich wahrscheinlich folgender „Symbiose-Effekt“ ergeben: schwache und billige „Schlechtachter“ werden starke und teure Gutachter in Lohn und Brot setzen. Dies ist deshalb besonders interessant, weil der Gesetzgeber speziell auch zum § 34 HOAI a.F. die Auffassung vertreten hat, ein Allgemeininteresse an der Aufrechterhaltung der mit dieser Vorschrift verbundenen Honorar-Reglementierungen bestehe nicht.

Nicht übersehen werden darf die oben noch nicht erwähnte dritte Gruppe unserer Umfrageteilnehmer. Es gibt auch nach wie vor zwingende Preisvorschriften in der HOAI für Sachverständige, allerdings keine, über die sich die Sachverständigen freuen werden. Insbesondere die Bausachverständigen sind weiterhin in der Gefahr, in die von uns so bezeichnete „HOAI-Falle“ zu geraten. Über nähere Einzelheiten dazu und zu allen anderen, für Sachverständigenhonorare relevanten gesetzlichen Änderungen der letzten Zeit informiert Sie die gerade fertig gestellte und erweiterte Neuauflage unserer Checkliste: Honorarabsicherung beim Privatgutachterauftrag (DokNr. 4-07-0101).

Hinweis in eigener Sache:
Natürlich wollen wir unser Umfrageportal weiter möglichst intensiv für Sachverständigenbefragungen nutzen und zügig neue Umfragen einstellen. Wenn Sie dazu aus Ihrem Fachbereich oder zu allgemein interessierenden Fragen des Sachverständigenwesens Anregungen für Umfragethemen haben, wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.


Nachschau: Öffentliche Bestellung von Sachverständigen vor dem Aus?

(31.10.2009) Zum 28.12.2009 tritt ein neuer § 36a GewO in Kraft. Dieser regelt die öffentliche Bestellung von Sachverständigen mit Qualifikationen aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat. Diese ausländischen Sachverständigen sind in Deutschland unter erleichterten Bedingungen zu bestellen. Es reicht, wenn sie in einem anderen EU-Staat auf einem bestimmten Sachgebiet zur Ausübung der Gutachtertätigkeit berechtigt sind und „im Wesentlichen“ über die hier nach § 36 GewO geforderte besondere Sachkunde verfügen. Ebenfalls eine nur „im Wesentlichen“ den hiesigen Anforderungen genügende überdurchschnittliche Sachkunde benötigt für eine deutsche öffentliche Bestellung, wer in zwei der letzten zehn Jahre Vollzeit-Gutachter war. In Einzelfällen kann die Behörde solchen Bewerbern aber eine „Eignungsprüfung“ oder einen „Anpassungslehrgang“ (ein dortiger Prüfungsabschluss wird nicht gefordert) auferlegen.

Zu dieser neuen Vorschrift sah sich die Bundesregierung genötigt, weil sie nach wie vor die Auffassung vertritt, dass die öffentliche Bestellung den europäischen Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie (DLR) und der Berufsanerkennungsrichtlinie (BARL) unterfällt. Wie zu hören war, sollen die Kammern und Verbände der Vorschrift zugestimmt haben nach dem Motto: „Wir vertreten zwar eine andere Rechtsansicht, brauchen die Vorschrift auch nicht, aber sie wird schon (hoffentlich) keinen größeren Schaden anrichten.“ Übrigens: Die Neureglungen gelten nur für EU-Sachverständige, die hier eine öffentliche Bestellung in Sachgebieten beantragen, für die Bestellungskammern nach § 36 GewO zuständig sind. Da die DLR und die BARL bis Ende 2009 in nationales Recht umzusetzen waren, fragt man sich natürlich, ob öffentliche Bestellungen handwerklicher Sachverständiger nach § 91 HwO jetzt ab 1.1.2010 gegen EU-Recht verstoßen bzw. künftig alle EU-Bürger (also auch die deutschen Handwerksgutachter) eine öffentlichen Bestellung unter Verzicht auf bisherige grundlegende Bestellungsvoraussetzungen wie besondere Sachkunde und persönliche Eignung erlangen können.


Öffentliche Bestellung von Sachverständigen vor dem Aus?

(31.12.2008)  Betrachtet man das deutsche System der öffentlichen Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen im europäischen Kontext, dann erscheint dieses – sieht man einmal von den allgemein beeideten Gutachtern in Österreich ab – als ein „Fremdkörper“. Die Privilegierung öffentlich bestellter Sachverständiger am deutschen „Gutachtenmarkt“ aufgrund gesetzlicher und anderer Vorschriften, z.B. bei der gerichtlichen und mancher außergerichtlicher Tätigkeit, hat in den anderen EU-Staaten, insbesondere bei grenzüberschreitend interessanten Sachverständigensparten, sicherlich nicht nur Freude ausgelöst. Und da EU-interne Zugangshindernisse für die berufliche Betätigung der Eurobürger verpönt sind, schwebte schon seit vielen Jahren ein europäisches „Damokles-Schwert“ über der deutschen Bestellung von Sachverständigen.

Eine Reaktion darauf war das auf EU-Normen beruhende und auch in Deutschland seit den 1990er-Jahren etablierte System der (Personen-)Zertifizierung. Einen Stellenwert wie die öffentliche Bestellung hat die Zertifizierung bis heute aber nicht annähernd erlangen können, schon gar nicht in den an Sachverständigenleistungen interessierten „Verbraucherkreisen“.

Nun droht dem deutschen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen das Aus. Wie zu hören ist, arbeiten das Bundesjustizministerium (BMJ) und das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) derzeit daran, in allen Berufszulassungsgesetzen die Vorgaben der europäischen Dienstleistungsrichtlinie (DLR) und der Berufsanerkennungsrichtlinie (BARL) umzusetzen. Hierzu ist in einer aktuellen Mitteilung der IHK Schleswig-Holstein Folgendes zu lesen:

In einem internen Vermerk zur Einordnung des § 36 GewO (öffentliche Bestellung von Sachverständigen) nach der Dienstleistungsrichtlinie (DLR) und der Berufsanerkennungsrichtlinie (BARL) der EU kommt das BMWi zu dem Ergebnis, dass die öffentliche Bestellung beiden Richtlinien unterfällt. Die unterzeichnenden Spitzenorganisationen der Selbstverwaltungskörperschaften, die Sachverständige öffentlich bestellen, halten dieses Ergebnis für rechtlich unzutreffend und befürchten – wenn sich diese unzutreffende rechtliche Einschätzung durchsetzt – eine Gefährdung des Systems der öffentlichen Bestellung insgesamt…Eindeutig ist jedenfalls, dass bei einer Anwendung des Art. 13 Abs. 1 BARL (eine Stufe unterhalb der national geforderten Qualifikation) die öffentliche Bestellung also erfolgen müsste, wenn Sachkunde (nicht mehr besondere Sachkunde) nachgewiesen ist. Inländer-Gleichbehandlung unterstellt, führt dies zu einer Ausweitung der öffentlichen Bestellung, die daraufhin ihre Funktion verlöre.

Im Klartext heißt das:

  • Zulassung aller EU-Bürger (also auch der deutschen!) zur öffentlichen Bestellung unter Verzicht auf bisherige grundlegende Bestellungsvoraussetzungen wie besondere Sachkunde und persönliche Eignung
  • Abschaffung aller bisherigen gesetzlichen Bevorzugungen von öffentlich bestellten Sachverständigen, z.B. in den Prozessordnungen.

Das dies das Ende des Systems der öffentlichen Bestellung in Deutschland wäre, liegt auf der Hand.

Nun kann dies nicht der Ort sein, über diffizile europarechtliche Einordnungen des § 36 GewO zu sinnieren. Näheres dazu findet sich hier:

http://www.ihk-schleswig-holstein.de/Ressourcen/printPDF.jsp?oid=18768

oder (gleichlautend)

http://www.ihk-schleswig-holstein.de/produktmarken/recht/rechtspolitische_arbeit/oeffbestDLRBARL.jsp

Entscheidend ist alleine: Wenn es in Deutschland unter dem „europäischen Deckmäntelchen“ einen politischen Willen gibt, die öffentliche Bestellung von Sachverständigen nach § 36 GewO (Gleiches beträfe natürlich auch handwerkliche Gutachter gemäß § 91 HwO) unmittelbar oder jedenfalls faktisch abzuschaffen, dann wird dies von der jetzigen (bzw. vermutlich auch von der nächsten) Bundesregierung – wenn es sein muss, gegen den Willen der Betroffenen – auch umgesetzt. Damit stellt sich vorausschauend letztlich nur noch die Frage, wie die „Landschaft“ im Sachverständigenwesen eigentlich aussieht, wenn es die öffentliche Bestellung tatsächlich nicht mehr gäbe. Die Bilanz wäre sicherlich eher ernüchternd:

Niemand wird ernstlich bestreiten wollen, dass sich das System der Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen jedenfalls im Wesentlichen bewährt hat. Allerdings war es auch zu keinem Zeitpunkt ein „Allheilmittel“. Dies zeigen u.a. diverse Haftungsfälle und begründete Befangenheitsablehnungen von öffentlich bestellten Sachverständigen. Auch zur Prüfungs- und Bestellungspraxis der Kammern ließe sich Manches kritisch anmerken.

Doch was bliebe ohne öffentlich bestellte Gutachter? Vermutlich ein großer nostalgischer „Katzenjammer“ („So haben wir das doch alles nicht gewollt!“) und eine beachtliche „Initialzündung“ für eine Gutachterzertifizierung, für die keine Notwendigkeit bestünde, die heutigen hohen und häufig weitgehend mit der öffentlichen Bestellung identischen Qualifikationsanforderungen abzusenken. Stehen wir also vor einer „Blütezeit“ der Personenzertifizierung von Sachverständigen, dann aber bitte einer echten nach den einschlägigen EU-Normen und nicht aufgrund mehr oder minder wertloser Seminar-„Zertifikate“? Selbst wenn dies so wäre, dürfte aber auch bei diesen Aussichten für eine Euphorie der Zertifizierer kein Anlass bestehen. Der deutschen „Regelungswut“ wäre vermutlich erst dann Genüge getan, wenn ein neues „Akkreditierungs- und Zertifizierungsgesetz“ (natürlich wieder mit viel bürokratischem Aufwand) alles „ganz genau“ normieren würde. Schon das Jahr 2009 dürfte Antworten bringen.


2. Deutscher Baugerichtstag: Positive Ergebnisse für die Gerichtsgutachter

(15.6.2008)  Die für die Gerichte tätigen Sachverständigen können mit den Ergebnissen des von Bundesrichter Prof. Dr. Kniffka geleiteten 2. Deutschen Baugerichtstages in Hamm zufrieden sei. Zu dem Beratungsthema

"Empfehlen sich gesetzliche Vorschriften über die Beauftragung und Anleitung des gerichtlichen Sachverständigen im Zivilprozessrecht (Gemeinschaftsgutachten; Bauteilöffnung; Vorbereitung der Anhörung in einer mündlichen Verhandlung)"

hat der mit Sachverständigen, Richtern, Rechtsanwälten und Verbandsfunktionären wieder sehr gut besuchte Arbeitskreis VI an den Gesetzgeber gerichtete Vorschläge erarbeitet, um einige in der gerichtlichen Praxis drängende Probleme zu lösen.



Im Vordergrund der intensiven Diskussionen standen dabei erwartungsgemäß die mit den Bauteilöffnungen durch gerichtlich beauftragte Bausachverständige verbundenen Fragestellungen. Der Arbeitskreis hat dabei Empfehlungen für gesetzgeberisches Handeln beschlossen, die noch deutlich über die Vorschläge des Referenten Dipl.-Ing. Peter-Andreas Kamphausen hinausgehen. Gefunden wurde am Ende ein konsistentes und überzeugendes Regelungsmodell, das aufeinander abgestimmt sowohl prozess- als auch materiellrechtliche Elemente enthält. Zunächst empfiehlt der Deutsche Baugerichtstag, folgende Ergänzung in die ZPO aufzunehmen:

„Der Sachverständige ist nicht verpflichtet, Eingriffe in Sachen selbst oder durch Dritte vorzunehmen.“

Hiermit wird auch deutlich, dass die von einigen Oberlandesgerichten propagierte Befugnis, den Gutachter zur Vornahme und Beseitigung von Substanzeingriffen anweisen zu können, als eine Überdehnung des geltenden § 404a Abs. 1 ZPO angesehen wird, wegen der uneinheitlichen Rechtsprechung aber eine gesetzgeberische Klarstellung für erforderlich gehalten wird. Die vorgeschlagene ZPO-Ergänzung bedeutet aber nicht, dass dem Gerichtsgutachter untersagt werden soll, Bauteilöffnungen selbst oder durch von ihn beauftragte Unternehmer vorzunehmen, obwohl es sich dabei eigentlich um Maßnahmen im Rahmen der prozessualen Mitwirkungspflichten der Parteien handelt. Der Arbeitskreis war aber der Auffassung, dass dem Gutachter in einem solchen Fall keine weiter gehenden Haftungsrisiken aufgebürdet werden können als bei einem unrichtigen Gutachten. Daher empfiehlt der Deutsche Baugerichtstag, in § 839a Abs. 2 BGB folgenden Wortlaut einzufügen:

„Wird bei der Vorbereitung des Gutachtens ein Eingriff in eine Sache erforderlich, so beschränkt sich die Haftung des Sachverständigen, wenn der Eingriff mit Zustimmung des Berechtigten erfolgt, für entstehende Schäden an der Sache auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.“

Bemerkenswert an diesem Vorschlag ist u.a. der Hinweis auf die Zustimmung des Berechtigten. Damit soll auch eine wichtige Warnfunktion dahingehend erfüllt werden, dass der Sachverständige die Substanzeingriffe nicht „blauäugig“ oder aufgrund nur vager Parteiangaben vornimmt, sondern die eigentums- bzw. besitzrechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich vorher – und zwar vorrangig über das Gericht als seinen Auftraggeber – klären lässt.

Ein wichtiges Ergebnis wurde auch zu der Fragestellung der Gemeinschafts- sowie Gruppen- bzw. „Unternehmens-Gutachten“ gefunden. Der Deutsche Baugerichtstag lehnt hierzu eindeutig Regelungen in der ZPO ab, die es ermöglichen würden, dass eine von Gericht beauftragte Sachverständigengruppe oder eine Gutachterorganisation (z.B. TÜV oder DEKRA) berechtigt wären, die Beantwortung der Beweisfrage eigenverantwortlich untereinander aufzuteilen. Es soll also dabei bleiben, dass es alleine dem Gericht obliegt zu entscheiden, welchem Sachverständigen der Auftrag in Person erteilt und die Beantwortung der jeweiligen Beweisfrage zugewiesen wird.

Auch bei dem Beratungsthema „Vorbereitung der mündlichen Gutachtenerläuterung“ hat der Baugerichtstag keine Empfehlung zur Gesetzesänderung ausgesprochen. Allerdings wurde der Vorschlag, in die ZPO wenigstens eine Sollvorschrift aufzunehmen, dass der Antrag einer Partei auf Gutachtenerläuterung eine Begründung der Einwendungen bzw. Fragen enthalten soll und diese dem Sachverständigen mit der Ladung bekannt zu geben ist, im Arbeitskreis mit knapper Mehrheit angenommen.

Die Ergebnisse des Baugerichtstages zum Sachverständigenrecht sind bereits heute für die praktische Sachverständigentätigkeit von Bedeutung. Es ist deshalb vorgesehen, die Folgerungen aus der Tagung in einer weiteren ausführlicheren Analyse zusammenzustellen. Dazu ist ein Beitrag von Peter-Andreas Kamphausen in der Zeitschrift "Der Bausachverständige"  (Heft 5/2008) vorgesehen.

Auch in anderen Arbeitskreisen ist der Sachverständige „präsent“ gewesen. Der Arbeitskreis VII – Außergerichtliche Streitbeilegung – hat sich mit den sog. Adjudikations-Verfahren in Bausachen befasst. Dabei handelt es sich um schiedsgutachtenähnliche Verfahren mit vorläufiger Bindungswirkung. Der Baugerichtstag hat die Empfehlung ausgesprochen, im Rahmen einer gesetzlichen Regelung als Adjudikatoren auch qualifiziert ausgebildete Angehörige aus der Berufsgruppe der Sachverständigen zu berücksichtigen.

Und schließlich war am Rande des Arbeitskreises IV – Architekten- und Ingenieurrecht –, der sich mit der HOAI befasst hat, zu hören, dass der zurückgezogene Referentenentwurf, der für erheblichen Wirbel und Unmut gesorgt hat, keinesfalls endgültig vom Tisch ist, sondern lediglich „überarbeitet“ wird. Damit ist die DataSV-Umfrage zu den Sachverständigenhonoraren in der HOAI nach wie vor aktuell. Deshalb hier nochmals unsere Bitte: Sagen Sie Ihre Meinung, stimmen Sie ab und nehmen Sie damit auf die weiteren Entwicklungen Einfluss!

Apropos Sachverständigenvergütung:

Inzwischen ist klar, dass es in der laufenden Legislaturperiode des Bundestages keine JVEG-Novelle mehr geben wird. Der Grund ist einfach: es kann nicht damit gerechnet werden, dass die vom Bundesjustizministerium gewünschten Ergebnisse der „Marktanalyse“ zu den außergerichtlichen Gutachterhonoraren in absehbarer Zeit vorliegen werden. Bereits jetzt ist im übrigen klar, dass die Datenerhebungen erneut auf zweifelhafter „Fragestellung“ beruhen und in größerer Anzahl für die Gerichte tätige Sachverständige wieder nicht gefragt werden.

Der 3. Deutsche Baugerichtstag ist für den 7./8.5.2010 vorgesehen. Ob bei dieser Tagung im Arbeitskreis VI – Sachverständigenrecht – über ein „neues“ JVEG beraten werden kann, darf nach heutigem Stand bezweifelt werden.

Alle Empfehlungen des 2. Deutschen Baugerichtstages finden Sie hier

Die diesjährigen Thesenpapiere der Referenten des Arbeitskreises VI - Sachverständigenrecht – stehen auf den Internetseiten des Deutschen Baugerichtstages nach wie vor zum Download im PDF-Format zur Verfügung. Bitte klicken Sie 
hier